Der Nebel in den Tiroler Bergen hat sich bereits gelichtet, die Sonne kommt langsam ins Tal, als Franz Hilber mit seinem Kaffee in der Hand den Blick über die Berggipfel schweifen lässt. Und über die Prototypen seiner Solaranlagen, die hier aufgestellt sind. Denn als gelernter Fassaden- und Metallbauer übernahm er bereits in den 90ern die Planung und Installation der ersten Photovoltaikanlagen in Tirol, um die Hütten auf 1.300 Metern Höhe zu elektrifizieren. Damals wurde er dafür noch für verrückt erklärt und ausgelacht – heute gilt Franz Hilber, der gleichzeitig Bio-Bauer ist, als Pionier.
Hilber Solar heißt seine Firma, die er vor 30 Jahren gründete und die mittlerweile zu einem Familienunternehmen herangewachsen ist, denn Sohn Thomas arbeitet ebenfalls im Betrieb. Gemeinsam fokussieren sie sich auf Photovoltaik-Planung und PV-Sonderbau. Und auch privat sind sie ein gutes Team: Am liebsten verausgaben sie sich beim Mountain Running, um Berglandschaften zu genießen und an körperliche Grenzen zu stoßen.
Grenzgänger – das ist ein Motiv, das sich durch Franz Hilbers Biografie zu ziehen scheint. Er wuchs in den Tiroler Bergen auf, naturverbunden, traditionsreich, fernab von der städtischen Schnelligkeit. Und gleichzeitig schlummert in ihm ein unermüdlicher Innovationsdrang. „Auf alten Fotos sehe ich, wie sie damals, in den 60er Jahren, auch in höheren Regionen Landwirtschaft betrieben haben. Einfach weil sie sich selbst versorgen mussten“, erzählt Hilber. „Für mich persönlich ergab sich daraus die Frage: Wie kann ich die Böden auch auf 1.200 Metern Höhe fruchtbar halten, um einen guten Anbau zu ermöglichen?“ Aus dieser Frage heraus ergaben sich zweierlei Interessen: eines für Photovoltaik, um Elektrizität in die Berge zu bringen, und eines für die Bodengesundheit im Allgemeinen.
Dass Hilber ein Vorreiter ist, zeigt sich auch darin, dass er bereits 2003 das PV-2-Achsen Nachführsystem namens MOVER entwickelte. Mithilfe dieses Systems können die Solarmodule der Sonne folgen und somit bis zu 40 Prozent mehr Solarstrom erzeugen als fest montierte Module. Nach dem Zusammenschluss mit der Solon AG zu Solon Hilber Technology im Jahr 2006 ging der Bau der Solaranlagen in die nächste Runde, und zwar in Berlin: Fast 80 Prozent aller Solaranlagen im damals neu gestalteten Berliner Regierungsviertel stammt von dem Bündnis. 2009 trennten sich die beiden Firmen wieder und die Hilber Solar GmbH wirtschafte eigenständig.
„Eine Technologie zur Energiegewinnung muss sich irgendwann auch rechnen“, betont Franz Hilber. „Mein Ziel ist es immer, sie maximal effizient zu machen, da sehe ich die Autoindustrie als Vorbild. Mit dieser Einstellung gelang mein Eintritt in die PV-Welt. Gleichzeitig bin ich aber Bio-Landwirt. Und wenn immer mehr Ackerfelder verschwinden, weil sie mit Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen bebaut werden, blutet mein Herz. Wie kann man also beides verbinden?“ Die Lösung kam 2015, als er, gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, in die Anlagenplanung und den Bau der ersten Agri-PV-Anlage Deutschlands in Heggelbach involviert wurde. Es ist eine Vorzeige-Anlage. Und schon wieder ist Franz Hilber ganz vorne mit dabei.
Die erste Anlage stand nun, aber wie sollte es gelingen, Agri-PV bekannt zu machen? „Ich bekam die Chance, an der Entwicklung der Norm DIN SPEC 91434 zu Agri-PV mitzuwirken. Und plötzlich war das Interesse der Öffentlichkeit da! In diesem Zusammenhang habe ich den Unternehmer Markus Haastert kennen gelernt, und dann ging alles schnell und unkompliziert: Gemeinsam haben wir AgroSolar Europe gegründet“, berichtet der Unternehmer mit einem Lächeln im Gesicht. Die Produkte der Agri-PV-Sparte wurden also ausgegliedert und gemeinsam mit Haastert unter AgroSolar Europe GmbH vertrieben. „Von da an ging es nicht mehr nur um PV, sondern um das ganze System der Agri-PV. Und endlich schloss sich auch der Kreis zum Thema Böden.“
Hilber ist ein Tüftler, ein Tester, ein „Macher“. In seiner Tätigkeit als Landwirt auf über 1.000 Höhenmetern experimentiert er mit vielen alten Saat-Sorten. „70 bis 80 Prozent der Aussaat gelingen immer. Bei den restlichen 20 bis 30 Prozent schaue ich dann, wieso sie nicht gut wachsen. Wie kann ich den Boden verändern, damit auch die restlichen Pflanzensorten gut gedeihen?“ fragt er mit funkelnden Augen. Er hat die Dringlichkeit des Themas „Böden“ erkannt. Aktuell besucht er einen Lehrgang zum Thema, um später selbst Böden zertifizieren zu dürfen, beispielsweise für die CO2-Einspeicherung. „Was mich antreibt ist die Frage, was auf uns zukommt, wenn wir so weiter machen wie bisher“, erläutert Franz Hilber. „Die konventionellen Böden sind quasi tot, in ihnen müssten im Schnitt 20-mal mehr Lebewesen leben als heute. Und irgendwann sind die Böden komplett ausgelaugt und lassen die Erträge ausfallen. Fakt ist aber auch, dass wir gesunde Lebensmittel für Mensch und Tier brauchen. Also müssen wir herausfinden, was wir tun können, um die Böden zu retten.“
Es geht also bei der Agri-Photovoltaik (Agri-PV) nicht nur um die Energiegewinnung und den Schutz der Pflanzen durch eine Teil-Überdachung, sondern auch um den Ackerboden selbst: „Ein ganzheitlicher Ansatz ist dabei wichtig und aus diesem Grund interessiere ich mich für Agri-PV und Bodenbeschaffenheit zugleich. Agri-PV kann die Bodenqualität verbessern, aber ohne einen gesunden Boden kann auch Agri-PV die Ernte nicht positiv beeinflussen. Es ist also ein Zusammenspiel, alles muss mit einbezogen werden.“
Unsere Böden sind enorme CO2-Speicher – neben den Ozeanen der zweitgrößte Speicher der Erde. Industrielle Landwirtschaft und Rohstoffgewinnung laugen unsere Böden aber immer weiter aus, sodass sie weder CO2 noch den die Atmosphäre schädigenden Stickstoff binden. „Und selbst wenn die Böden mit Stickstoff angereichert werden würden, dann sind meist nicht genug Kleinstlebewesen im Boden, die diesen Stickstoff verbrauchen könnten“, macht Franz Hilber deutlich. Die vielversprechende Lösung heißt Humus: er entsteht durch abgestorbene Pflanzen und organische Reste im Boden. Ein ForscherInnen-Team aus Frankreich fand heraus, dass wir mit jährlich nur 0,4 Prozent mehr Humus im Boden den gesamten CO2-Ausstoß der Welt in diesem Jahr ausgleichen könnten. „Ich kann mir sogar vorstellen, dass wir eigentlich zu wenig CO2 auf dieser Welt haben – es ist nur an der falschen Stelle. Statt dass es frei durch unsere Atmosphäre wandert, könnte es einfach in gesunden Böden gespeichert werden“, gibt Hilber zu bedenken.
Gesunde Böden – gesunde Pflanzen. Und weiter gedacht: Gesunde Nahrung – gesunde Menschen. Was so simpel erscheint, ist aktuell eine große und weltweite Herausforderung, der wir uns aktiv stellen müssen. Auch Landwirte und Landwirtinnen müssen, wenn sie weiterhin wirtschaftlich und umweltverträglich arbeiten wollen, das Gleichgewicht ihrer Böden im Blick behalten.
Doch auch wenn Landwirte und Landwirtinnen aktiv werden wollen, gibt es einen erschwerenden Faktor: die langen Zertifizierungsprozesse. „Viele LandwirtInnen hier in den Bergen wollen gern auf Bio-Landwirtschaft umstellen, aber sie können sich schlichtweg nicht leisten, eine drei- bis vierjährige Umstellungszeit zu finanzieren“, erklärt Hilber mit Nachdruck. „Hier in den Bergen sind deshalb viele Landwirte nur nebenerwerbstätig Bauern, da sie von ihren Erträgen gar nicht leben können. Ich selbst mache es, weil ich dafür einfach eine Faszination habe und herausfinden will, wie es besser geht.“
Franz Hilber ist Bio-Bauer aus Überzeugung, der immer neue Innovationen sucht, um den Lebensraum und die Tradition seiner geliebten Berge zu erhalten. Mit Agri-PV hat er seinen Weg gefunden.
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